Richard Löwenherz, der legendäre englische König, war auf der Rückkehr von einem Kreuzzug in Deutschland gefangen genommen worden. Aber wo und in welchem Kerker er steckte, wusste niemand. Als die Kunde davon nach England drang, machte sich sein treuer Diener Blondel auf den Weg, seinen Herrn zu suchen. Er zog als Sänger von Burg zu Burg und sang Lieder aus der Heimat.
Als er nach Dürrstein an der Donau kam, hörte ihn der Gefangene und gab ihm Antwort. Das war noch nicht das Ende der Gefangenschaft; aber man wusste wenigstens, wo der Gesuchte zu finden war.
Bei uns geht es höchstwahrscheinlich nicht um einen König, der im Kerker eines fremden Landes schmachtet; aber wir trauern vielfach um Menschen, deren Herz und Liebe wir verloren haben.
Wir sollten uns an dem guten Blondel ein Beispiel nehmen und nicht aufhören, nach einer Möglichkeit zu suchen, die Verbindung zu dem betreffenden Menschen wieder aufnehmen zu können.
Wer beten kann, sollte Gott um Weisheit bitten, sei es, um die richtigen Worte oder um das richtige Schweigen zu finden. Durch unachtsame und von gekränkter Eigenliebe geprägte Worte richtet man nur großen Schaden an. Gott aber kennt den Schlüssel zu jedem Herzen, und wenn er bei uns wahre Liebe zu dem Verlorenen sieht, kann er ihn uns geben. Vielleicht dauert es auch deshalb manchmal sehr lange, weil Gott uns selbst erst zeigen muss, was wir in dieser Sache falsch gemacht haben.
Und wenn es uns wirklich um das Wohl des anderen geht, können wir in dem Gedanken zur Ruhe kommen, dass bei Gott alles in den besten Händen ist, auch wenn wir die Erfüllung unserer Wünsche nicht erleben.
Hermann Grabe
- Wie lange hätte Blondel weiter gesungen?
- Meistens geben wir viel zu früh auf.
- Apostelgeschichte 12,1-17
Mit Autor/in Kontakt aufnehmen
Neu: Jetzt als Podcast