
Gott ist ein gerechter Richter und ein Gott, der täglich strafen kann.
Psalm 7,12

Von Sommer 1943 bis April 1945 war Irmgard F. als Schreibkraft in der Kommandantur des Konzentrationslagers Stutthof beschäftigt. Da war sie gerade 18 Jahre alt. Während ihrer Tätigkeit ging fast die gesamte Korrespondenz des KZ über ihren Tisch. Deswegen verurteilte das Landgericht Itzehoe 2022 die damals 97-Jährige wegen Beihilfe zum Mord in 10 505 Fällen und zum versuchten Mord in fünf Fällen zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung. Er sagte: »Sie half durch ihre Schreibarbeit dem Lagerkommandanten und dessen Adjutanten ... nicht nur physisch. Sie unterstützte diese durch ihre Einordnung in den Lagerbetrieb als zuverlässige und gehorsame Untergebene auch psychisch bei der Begehung der 10 505 vollendeten und fünf versuchten grausamen Morde, die das Landgericht ihr zugerechnet hat.«
Dieses Gerichtsurteil macht für mich deutlich, was Gerechtigkeit beinhaltet: Gerechtigkeit hat einen langen Atem. Was vor rund 80 Jahren geschah, ist nicht vergessen. Gerechtigkeit deckt unerbittlich individuelle Schuld auf: Irmgard F. hat niemanden persönlich in der Gaskammer umgebracht. Aber sie hat ihren Teil dazu beigetragen, dass dies geschehen konnte. Auch späte Gerechtigkeit ist wichtig - für die Opfer. Die Hinterbliebenen der Ermordeten erleben: Der Tod unserer Oma, unseres Vaters, unserer Geschwister bleibt nicht ungesühnt.
Leider gehen der irdischen Justiz trotz aller Bemühungen sehr viele böse Taten durchs Netz. Aber Gottes Gerechtigkeit ist unfehlbar. Er wird Lebende und Tote richten, mögen ihre Taten auch Jahrtausende zurückliegen. Nichts bleibt ungesühnt. Wer kann da frei ausgehen? Nur der, dessen Lebensschuld bereits bezahlt ist - von Jesus am Kreuz - und der dies für sich in Anspruch nimmt.
Markus Majonica