Samstag, 26. Januar 2002

Leitvers

Wende dich jetzt nicht ab von mir!
Groß ist meine Angst!
Weit und breit gibt es keinen, der mir hilft!

Psalm 22,12

Zeitzeichen

In 15 Sekunden bin ich zum Bettler geworden!

Der etwa 50-jährige Mann spricht diesen Satz verzweifelt und weinend in eine laufende Fernsehkamera. Er steht inmitten einer Trümmerlandschaft. Überall Steine und Schutt. Schauplatz: die Stadt Bhuj im indischen Bundesstaat Gujarat. Der verstörte Mann hat am Tag zuvor, am 25. Januar 2001, bei einem verheerenden Erdbeben seine ganze Familie, sein Haus mit allem Besitz, seine Arbeitsstelle, seine Nachbarn – einfach alles verloren. Wie betäubt stellt er die Frage: »Wie soll es jetzt weitergehen?«
Ich verfolge die Fernsehbilder aus sicherer Distanz. Ich fühle mich wohl in meinem Sessel. Das Zimmer ist geheizt, die Familie sitzt bei mir, der Kühlschrank ist gefüllt, meine Arbeitsstelle gesichert. Mir tut dieser arme Mann unendlich Leid. Unwillkürlich drängt sich mir die Frage auf: »Wie würdest du dich in einer solchen Situation verhalten? Könntest du diesen Verlust überhaupt bewältigen?« Ich bin froh und dankbar, dass ich diese Fragen nicht beantworten muss! Aber meine Gedanken drehen sich weiter um diesen armen Mann. Was ist aus ihm geworden? Wie ist er mit diesen traumatischen Umständen fertig geworden? Ich würde ihm als Christ neben praktischer Hilfe auch gerne einen Brief schreiben und ihn auf die Liebe Jesu hinweisen. Auf den, der jetzt ein offenes Ohr für ihn, den Verzweifelten, hat und der um seine Nöte weiß und ihm in seiner Not beistehen will. Aber ich hätte als Christ auch den Mut zu schreiben, dass ich nicht weiß, warum Gott diese Katastrophe zugelassen hat.
Diesen armen Menschen kann ich nicht erreichen. Sein Schicksal aber hat mich aufgerüttelt, in meiner Umgebung zu helfen und zu trösten, so gut ich kann. Rudolf Gerhardt
Frage
Erreichen solche Elendsbilder noch unser Herz?
Tipp
Mitleid muss zu praktischer Hilfe werden.
Bibellese
Psalm 22

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