
Und das Volk stand da und sah zu.
Lukas 23,35

Stau auf der Autobahn - doch warum? Auf der Gegenspur hat ein Unfall stattgefunden. Mehrere Autowracks stehen dort, dazwischen Einsatzfahrzeuge. Polizisten versuchen, die Unfallopfer mit Planen gegen die neugierigen Blicke der Autoinsassen auf »unserer« Spur zu schützen. In unserer Fahrtrichtung ist es eigentlich nicht der Unfall, der den Stau verursacht, es sind die sensationsgierigen Zuschauer, die bremsen, um einen Blick auf das Unglück der anderen zu erhaschen. Diese Form der Sensationsgier ist überhaupt nicht hilfreich, sie behindert sogar oft das Durchkommen und die Arbeit der Rettungskräfte. Und nicht selten führt die Neugier beim Beobachten fremden Unglücks dazu, dass man durch das eigene Verhalten selbst einen Unfall verursacht und so ganz schnell vom Beobachter zum Opfer wird.
Doch Sensationsgier und Gleichgültigkeit gegenüber dem Unglück anderer sind keine Erfindungen unserer Zeit. Bereits in der Antike waren zum Beispiel Hinrichtungen häufig der Ersatz für die Blockbuster unseres Medienzeitalters. Oft ungerührt vom Schicksal der Hingerichteten kam man aus Neugier, blieb stehen und sah zu - so wie viele Menschen hier der Kreuzigung von Jesus von Nazareth zusahen. Ohne erkennbare Regung. Vielleicht mit dem Empfinden: Gut, dass es nicht mich erwischt hat.
Doch bei der Kreuzigung Jesu geschah etwas, das nicht nur mit dem Gekreuzigten, sondern mit allen Menschen, auch den scheinbar unbeteiligten Zuschauern, zu tun hatte. Hier wurde tatsächlich die größte Entscheidungsschlacht der Menschheitsgeschichte geschlagen. Hier opferte der Sohn Gottes sein Leben, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht selbst dem Zorn Gottes über eine ungerechte, gleichgültige Menschheit zum Opfer fallen muss.
Markus Majonica

