Sie waren bereits 28 Jahre verheiratet. Die Kinder waren inzwischen erwachsen. Da brachen die über Jahre unterdrückten Schwierigkeiten auf. Jeder hatte an dem anderen vieles auszusetzen. Aus dem einstigen Miteinander war ein heftiges Gegeneinander geworden. Als ich sie nach den Ursachen ihres Zerwürfnisses fragte, brachten sie Argumente, die geradezu lächerlich erschienen: »Er lässt immer seine Socken im Bad liegen!« – »Sie hängt die Bilder immer schief auf!«
Was waren die eigentlichen Ursachen? Sie mussten tiefer liegen. Und richtig, endlich brach es aus ihr heraus: »Er hat mich betrogen! Nie, nie werde ich es ihm vergessen!« Er schüttelte sie, schrie sie an: »Wie oft soll ich noch zu Kreuze kriechen und dich um Vergebung bitten? Ich halte es nicht mehr aus!«
»Hast du ihm damals wirklich vergeben?«, fragte ich sie. »Ja«, schluchzte sie, »aber ich kann es nicht vergessen! Immer und immer wieder kommen die Gedanken. Er hat mich ja so verletzt!«
Da wird der eine mit der Schuld des anderen nicht fertig. Ja, man hatte zusammen gebetet, hatte Gott und sich gegenseitig um Vergebung gebeten, ein neuer Anfang schien gemacht – nur vergessen konnten sie nicht, was der Mann ihr angetan hatte. Und so kommt es immer wieder zu Vorwürfen und Vorhaltungen. Gott sagt: »Vergebt einander, so wie Gott in Christus euch vergeben hat!« Wenn Gott vergibt, dann verspricht er gleichzeitig: »Ich werde dir deine Schuld nie wieder vorhalten!« Erst wenn wir ebenso vergeben, kann neues Vertrauen zueinander wachsen. Lasst es uns machen, wie Gott es mit uns getan hat! Das ist zwar nicht leicht, aber nur so wird der Boden für echte Versöhnung und wirklichen Neuanfang bereitet.
Eberhard Platte
- Wie kann ein anderer Vertrauen fassen, solange er weiß, dass ich den alten Knüppel immer wieder hervorhole?
- Wer göttlich Vergebung erlebt hat, kann auch anderen in gleicher Weise vergeben.
- Joel 2,18-27
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